Der erste Abschied von Mama und Papa, die erste Betreuung außerhalb der Familie – die Eingewöhnung in die Kindertagespflege ist für viele Familien eine aufregende und oft auch emotional herausfordernde Zeit.
Doch mit der richtigen Vorbereitung und dem Verständnis für die Bedürfnisse deines Kindes kann dieser Übergang sanft und erfolgreich gestaltet werden.
Dieser Artikel bietet dir praktische Tipps und orientiert sich an bewährten Konzepten wie dem Berliner Eingewöhnungsmodell, um deinem Kind einen bestmöglichen Start zu ermöglichen.
Warum ist die Eingewöhnung so wichtig?
Stell dir vor, du wirst plötzlich in eine völlig neue Umgebung mit fremden Menschen versetzt, ohne zu wissen, wann deine vertrauten Bezugspersonen zurückkehren. So oder ähnlich kann es sich für dein Kind anfühlen.
Die Eingewöhnungsphase ist daher entscheidend, um deinem Kind Zeit und Raum zu geben, eine sichere Bindung zur Tagespflegeperson aufzubauen. Diese Bindung ist die Basis dafür, dass sich dein Kind in der neuen Umgebung wohl und geborgen fühlt, Vertrauen fasst und sich neugierig auf die neuen Erfahrungen einlassen kann.
Ein sanfter Start beugt zudem Trennungsängsten vor und legt den Grundstein für eine positive Entwicklung in der Kindertagespflege.
Das Berliner Eingewöhnungsmodell als Leitfaden
Das Berliner Eingewöhnungsmodell ist ein weit verbreitetes und wissenschaftlich fundiertes Konzept, das die Bedürfnisse des Kindes in den Mittelpunkt stellt.
Es geht davon aus, dass die Anwesenheit einer vertrauten Bezugsperson (meist ein Elternteil) in den ersten Tagen unerlässlich ist, um dem Kind Sicherheit zu vermitteln.
Ziel ist es, dass das Kind die Tagespflegeperson als neue sichere Basis akzeptiert und sich in ihrer Gegenwart wohlfühlt, bevor du dich schrittweise zurückziehst. Ähnliche Modelle verfolgen ähnliche Ziele und Prinzipien.
Phasen der Eingewöhnung: Ein flexibles Modell
Jedes Kind ist einzigartig, und so verläuft auch jede Eingewöhnung individuell. Dennoch lassen sich grob verschiedene Phasen unterscheiden:
Phase 1: Die Grundphase (ca. 3-5 Tage)
In dieser Phase ist es essenziell, dass du gemeinsam mit deinem Kind die Kindertagespflege besuchst. Bleib in der Nähe deines Kindes und fungiere als „sicherer Hafen“. Dein Kind kann so in Ruhe die neue Umgebung erkunden, die anderen Kinder beobachten und die Tagespflegeperson kennenlernen, während du im Hintergrund präsent bist. Wichtig ist, dass du dich nicht aktiv ins Spiel einmischst, sondern deinem Kind die Freiheit gibst, von sich aus Kontakt aufzunehmen. Die Verweildauer in dieser Phase beträgt in der Regel etwa eine Stunde täglich.
Phase 2: Der erste Trennungsversuch (Tag 4 oder 5)
Wenn sich dein Kind in den ersten Tagen entspannt gezeigt hat und erste positive Kontakte zur Tagespflegeperson geknüpft wurden, kann der erste, kurze Trennungsversuch stattfinden. Verabschiede dich klar und deutlich von deinem Kind und verlasse den Raum für etwa 15 bis 30 Minuten. Bleib in der Nähe (z.B. in einem angrenzenden Raum), damit du schnell wieder zur Stelle bist, falls dein Kind weint oder sich unwohl fühlt. Kehr pünktlich zurück und lobe dein Kind für das Durchhalten. Die Reaktion deines Kindes auf diesen ersten Trennungsversuch ist ein wichtiger Indikator für den weiteren Verlauf der Eingewöhnung.
Phase 3: Die Stabilisierungsphase (individuell, oft 1-3 Wochen)
Basierend auf dem ersten Trennungsversuch wird die Dauer der Trennungsphasen schrittweise verlängert. Bleibt dein Kind entspannt, kannst du die Abwesenheitszeiten langsam ausdehnen. Zeigt es starken Protest, sollte die Trennungszeit verkürzt oder der Trennungsversuch noch einmal verschoben werden. In dieser Phase können auch die ersten Mahlzeiten oder Schlafzeiten in der Kindertagespflege stattfinden. Deine Anwesenheit wird immer kürzer und dient nur noch als Absicherung.
Phase 4: Die Schlussphase (ca. 1-2 Wochen)
Dein Kind akzeptiert die Tagespflegeperson nun als primäre Bezugsperson in der Betreuungssituation. Die Trennungen fallen leichter, und dein Kind ist in der Lage, sich in der Kindertagespflege einzuleben und am Alltag teilzunehmen. In dieser Phase kannst du dich immer weiter zurückziehen und dein Kind für längere Zeiträume der Tagespflegeperson überlassen. Kurz vor dem offiziellen Ende der Eingewöhnung ist die Tagespflegeperson der einzige Ansprechpartner für dein Kind.
Praktische Tipps für eine gelingende Eingewöhnung
- Nimm dir ausreichend Zeit: Plan für die Eingewöhnung mindestens zwei bis vier Wochen ein. Bei manchen Kindern kann es auch länger dauern. Ein stressfreier Zeitplan ist das A und O.
- Sei präsent, aber passiv: In der Grundphase ist deine Anwesenheit wichtig. Lass dein Kind die Initiative ergreifen und sich selbstständig der Tagespflegeperson oder anderen Kindern nähern. Du bist der sichere Hafen im Hintergrund.
- Verabschiede dich klar und kurz: Auch wenn es schwerfällt – ein schnelles, liebevolles Abschiedsritual (z.B. ein Kuss und eine kurze Umarmung) ist besser als ein langes Hin und Her. Erklär deinem Kind, dass du wiederkommen wirst.
- Bleib erreichbar: Auch wenn du nicht direkt im Raum bist, stell sicher, dass die Tagespflegeperson dich jederzeit erreichen kann, falls dein Kind dich braucht.
- Vertrau der Tagespflegeperson: Die Tagespflegeperson ist erfahren im Umgang mit der Eingewöhnung. Hör auf ihre Einschätzungen und arbeite eng mit ihr zusammen. Sie ist dein Partner in dieser wichtigen Phase.
- Signale deines Kindes richtig deuten: Achte auf die Reaktionen deines Kindes. Weint es beim Abschied, lässt es sich aber schnell von der Tagespflegeperson trösten und spielt weiter, ist das ein gutes Zeichen. Bleibt es untröstlich oder zieht sich zurück, sollte der Eingewöhnungsprozess langsamer gestaltet werden.
- Sprich über deine Gefühle: Es ist völlig normal, dass du als Elternteil auch mit gemischten Gefühlen zu kämpfen hast. Tausch dich mit anderen Eltern aus, oder sprich offen mit der Tagespflegeperson über deine Bedenken.
- Vermeide Schuldgefühle: Die Entscheidung für die Kindertagespflege ist oft eine wohlüberlegte. Versuch, dich nicht von Schuldgefühlen leiten zu lassen. Du ermöglichst deinem Kind neue Erfahrungen und Entwicklungschancen.
- Positive Einstellung vermitteln: Sprich positiv über die Kindertagespflege und die Tagespflegeperson. Kinder spüren die Stimmung ihrer Eltern.
- Rituale schaffen: Kleine Rituale vor und nach der Betreuung können deinem Kind Sicherheit geben. Das kann ein bestimmtes Lied sein, ein kleiner Spaziergang zum Abschied oder eine feste Begrüßung.
- Gib deinem Kind einen „Schatz“ mit: Ein geliebtes Kuscheltier, ein Schnuffeltuch oder ein Foto von der Familie kann deinem Kind Trost spenden, wenn du nicht da bist. Kläre dies jedoch vorher mit der Tagespflegeperson ab.
- Sei geduldig: Rückschritte können vorkommen, besonders wenn das Kind krank war oder neue Entwicklungsschritte macht. Das ist normal. Bleib geduldig und gib deinem Kind die Zeit, die es braucht.
Wenn es schwierig wird
Manchmal verläuft die Eingewöhnung nicht reibungslos. Wenn dein Kind über längere Zeit untröstlich bleibt, sich verweigert oder sich stark verändert (z.B. häufiges Einnässen, schlechter Schlaf), such das Gespräch mit der Tagespflegeperson. Gemeinsam könnt ihr überlegen, ob Anpassungen im Ablauf notwendig sind oder ob weitere Unterstützung benötigt wird. Wichtig ist, dass du als Elternteil die Signale deines Kindes ernst nimmst und die Situation nicht beschönigen solltest.
Fazit
Die Eingewöhnung in die Kindertagespflege ist eine intensive, aber auch bereichernde Zeit für die ganze Familie. Sie erfordert Geduld, Vertrauen und eine gute Zusammenarbeit zwischen dir und der Tagespflegeperson. Indem du die Bedürfnisse deines Kindes in den Mittelpunkt stellst, ausreichend Zeit einplanst und auf bewährte Modelle wie das Berliner Eingewöhnungsmodell vertraust, legst du den Grundstein für eine positive und erfolgreiche Betreuungszeit. Dein Kind wird nicht nur gut betreut, sondern kann sich in einer liebevollen Umgebung entfalten und viele neue Erfahrungen sammeln.
Welche Erfahrungen hast du mit der Eingewöhnung gemacht?

